„Unter Emotionaler Intelligenz wird
die Fähigkeit verstanden,
Gefühle (bei sich und anderen) und
menschliche Beziehungen richtig einschätzen
und entsprechend handeln
zu können.“
Emotionale Reife bekommt man nicht in die Wiege gelegt. Sie entwickelt sich im Laufe des Lebens, oder auch nicht. Beim einen früher, beim anderen später. Bei mir startete der Prozess rückblickend meines Erachtens erst mit 26. Wann es soweit ist, hängt stark davon ab, wie man sein Leben gestaltet. Ob man Zeit und Muße findet, sich mit sich und seinen Gefühlen auseinanderzusetzen, ob man ein reflektierendes Umfeld hat, mit dem man sich austauschen kann, auch von der Erziehung und den persönlichen Erfahrungen.
Ich habe mir in der letzten Zeit viele Gedanken um dieses Thema gemacht und möchte eine Essenz daraus hier vorstellen:
Emotionale Reife bedeutet:
Über den Äußerungen von anderen zu stehen...
Bemerkungen anderer Menschen - bewusst oder unbewusst gemacht - können uns schnell verletzen oder ärgerlich machen.
Emotionale Reife bedeutet, sich darüber im Klaren zu sein, dass solche Äußerungen entweder unabsichtlich geschehen, oder lediglich ein Ausdruck der Fehlbarkeiten / Unzufriedenheiten / Neid des Senders sind. Warum sonst, als aus diesen Motiven heraus sollte jemand einen anderen absichtlich verletzen.
Nicht zurück zu verletzen...
Dennoch passiert das eben hin und wieder, dass wir uns verletzt fühlen. Emotionale Reife heißt, drüber zu stehen und gelassen zu reagieren.
Emotional reife Menschen haben genug Selbstsicherheit, um sich ihrer selbst sicher zu sein und nicht durch Äußerungen / Verletzungen anderer ins Wanken zu kommen. Sie brauchen sich nicht verteidigen, indem sie zurückschießen oder sich verschließen. Sie bleiben stehen, denn sie wissen, wer sie sind.
Entgegengebrachtes als Reflktion sehen, statt als Angriff oder Kritik...
Jede Interpretation eines anderen über uns hat, sofern sie weh tut, einen wahren Kern in sich. Wäre dem nicht so, würde sie uns nicht traffen.
Emotionale Reife bedeutet, Kritiken (auch schmerzhafte) anderer dankbar anzunehmen und als Chance zu sehen, sich durch sie weiter zu entwickeln.
Durch Nachdenken und uns selbst hinterfragen finden wir heraus WARUM uns etwas verletzt, WO die Ursachen liegen, WANN diese Art der Verltzung das erste mal geschah und WAS sie mit uns macht. Damit können wir arbeiten und daran wachsen.
Konfliktfähigkeit...
Emotionale Reife bedeutet, sich Problemen und Konflikten zu stellen und konstruktiv damit zu arbeiten.
Lösungsorientiert handeln und sprechen anstatt mit Flucht / Verdrängung / Leugnung / Betäubung zu reagieren. (lese hierzu: Wenn wir vor uns selbst flüchten...)
Das eigene Selbstbild zu hinterfragen...
Wir legen für uns irgendwann mal fest, wer wir sind, wie wir sind und wie wir funktionieren (Selbstbild).
Andere Menschen sehen uns oft ganz anders (Fremdbild).
Daraus entsteht eine Inkongruenz, die unser zwischenmenschliches Leben erschwert.
Siehst Du Dich bspw. als großzügigen Menschen und andere sehen Dich als Geizhals, werden in diesem Bereich immer wieder Probleme oder Unstimmigkeiten auftreten.
Deshalb ist es wichtig, dass wir unser Selbstbild immer wieder hinterfragen und abgleichen mit der Realität und herausfinden, ob es unserem aktuellen Entwicklungsfortschritt überhaupt noch gerecht wird.
Emotionale Reife bedeutet auch, wachsam durch die Welt zu gehen und wahrzunehmen, wie man auf andere wirkt, was für ein Bild sie von einem haben und dies auch aktiv zu erfragen. Nur so besteht die Möglichkeit, sein Selbstbild an die realen Fakten anzupassen oder sein Handeln so zu verändern, dass es dem Selbstbild tatsächlich entspricht und auch das Bild anderer über uns sich unserem angleichen kann.
Empathievermögen...
Dem voraus geht die Fähigkeit, seine eigenen Gefühle wahr- und anzunehmen. Auch ernst zu nehmen. Nur dann kann man nachvollziehen, was in einem anderen Menschen vor sich geht.
Hat man sich von den eigenen Emotionen abgespalten, unterdrückt sie, empfindet sie als störend, unpassend oder überfordernd, kann man keine Empathie empfinden. Und auch keine emotionale Intelligenz entwickeln.
Sich in jemanden hineinfühlen zu können, da zu sein, ohne Angst, sich selbst dabei zu verlieren oder verletzlich zu machen, bedingungslos zu geben, Wärme und Mitgefühl, erfordert einen hohen Grad an emotionaler Reife.
Schmerzfrei zurück schauen und nicht auf heute projizieren...
Ich könnte es nicht besser ausdrücken, daher ein Zitat von der Seite Gedankenwelt:
"Damit aufzuhören in unser Inneres zu
schauen, das hilft uns nicht, ihm zu entkommen, sondern es
erlaubt, dass das Negative aus unserer Vergangenheit nach Belieben
unser aktuelles Leben kontrolliert."
Was war, war. Und damals war es wahr für uns (sorry, das musste sein ;-) ).
Alte Verletzungen liegen in der Vergangenheit. Zu oft projiziert man alte Erfahrungen auf neue Menschen oder Situationen. Weil mal etwas so war, heißt es nicht, dass es jetzt - Jahre später - wieder so sein muss. Unser Warnsystem, das Angstzentrum der Amygdala (oder auch Mandelkern), versucht uns vor erneuten Fehlern zu schützen. Dennoch ist es wenig sinnvoll, alles auszulassen, was irgendwelche Parallelen zu früheren Begebenheiten zeigt, die schlecht ausgingen.
Jemand handelt so oder so; auf eine Weise, die wir von früher her kennen, dann wird es auch genauso enden wie damals (lese hierzu meinen Artikel über die Wenn-dann-Erwartungen). Davon gehen wir aus.
Wir ziehen Parallelen und bestimmen dadurch bereits unbewusst, wie es laufen wird. Wir bauen eine Erwartungshaltung auf, die besagt, dass alles immer gleich abläuft, wenn genügend Indikatoren dafür sprechen und genügen Anzeichen mit alten Erfahrungen überein stimmen und maipulieren dadurch uns und den anderen unbewusst genau zu diesem Punkt bzw. Verhalten. Selbsterfüllende Prophezeihung.
Emotionale Reife ist, das Vergangene anzunehmen, mit all seinem Schmerz, abzuschließen und zuzulassen, dass nicht alles immer nach dem selben Schema ablaufen wird. Für neue und andere Erfahrungen offen zu sein, anstatt sich von seiner Angst und seinem Katastrophisierer lenken zu lassen. (lese hierzu auch: Wenn wir aus schmerzhafen Erfahrungen Situationen vermeiden - wer hat gewonnen?)
Sich öffnen...
Durch Verschluss geschieht das gleiche wie durch Projektion. Wir verbauen uns schöne Erfahrungen von vornherein.
Wenn wir anderen nicht die Möglichkeit geben, uns zu fühlen, uns zu verstehen, werden sie uns immer wieder unabsichtlich verletzen und damit unsere Erwartungen aus der Vergangenheit bestätigen.
Nur dadurch, dass wir uns öffnen und verletzlich machen, können wir tiefe, verständnisvolle Bindungen zu anderen eingehen und nur dadurch können wir rücksichtsvolle, liebevolle und erfüllende Beziehungen erleben.
Wer von einem Buch immer nur den Einband zu sehen bekommt,
wird nie seinen Inhalt verstehen können,
damit arbeiten können,
oder es gar zu seinem Lieblingsbuch machen können.
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