27. Dezember 2018

Reisen verändert






Desto weiter ich reise, 
desto näher komme ich an mich heran. (Andrew McCarthy)








Reisen verändert.     

Vor allem das Langzeitreisen.

Täglich begegnet man neuen Menschen, neuen Persönlichkeiten. Jeder mit einer anderen Geschichte. Viele mit einem schwierigen Schicksal.
Die ersten Fragen sind meistens gleich. 
Woher kommst Du?
Wohin fährst Du?
Wie lang bist Du schon unterwegs?
Wie finanzierst Du das Ganze.

Nach einiger Zeit wird einem die eigene Geschichte langweilig. Man beginnt, Details zu vernachlässigen und liefert nur noch eine kurze Zusammenfassung mit relevanten Eckdaten. Das Geschichten- und Abenteuererzählen wird einem überflüssig. Man beginnt innerlich zu schmunzeln, wenn der Nachbar den Neuankömmlingen die selbe Geschichte erzählt wie zehn anderen Leuten davor.

Man beginnt nachzudenken, wie relevant all die Wörter, die man Tag für Tag von sich gibt, eigentlich sind. 



Es beginnt schleichend. Meist in einer Runde. In Runden versuchen sich alle zu übertreffen und zu Wort zu kommen. Es ist vielen wichtig, ihre Meinung äußern zu können. Irgendwann geschieht es, dass man angesprochen wird, ob man sich langweile, oder alles ok sei. Man würde so wenig sagen…

Das ist der Punkt, an dem man beginnt zu reflektieren. 

Man betrachtet sich von außen und bemerkt, dass man wirklich kaum etwas zu den Gesprächen beisteuert. Man geht in sich und überlegt sich warum das so ist. Man beginnt, den Unterhaltungsverlauf zu analysieren und sich zu überlegen, was man dazu zu sagen hätte und stellt fest, dass meistens alles Relevante gesagt wird. Zwar nicht von einem selbst, aber dann stellvertretend von anderen Teilnehmern. Und man stellt fest, wie viel Überflüssiges gesprochen wird. Wie oft Wiederholungen vorkommen, einfach Dinge gesagt werden, damit was gesagt ist, wie viele bewusste Provokationen und Unruhe stiftende Phrasen eingeworfen werden, um eine Diskussion entstehen zu lassen. Wie oft Menschen sich klein fühlen oder gekränkt und sich aufgrund dessen beginnen zu rechtfertigen oder mit überzogenen Details wieder ins rechte Licht zu rücken. 

Man merkt recht schnell, wer wie viel Selbstbewusstsein hat, bei wem es von innen heraus kommt und bei wem es daraus entsteht, wie andere von ihm denken.

Man wird ruhiger. Man wird zum Beobachter. Man analysiert. Man versteht. 

Man lernt die Menschen kennen, ohne mit ihnen zu reden.
Mit der Zeit wird es einem selbst immer unwichtiger, sich einzumischen. Man ertappt sich immer wieder dabei, wie ein Gedanke auf der Zunge liegt und man abwägt, ob man ihn wirklich aussprechen muss. Ob seine Wertigkeit so hoch und sein Wert für die Runde so gut ist, dass es sich lohnt, dafür den Mund zu öffnen und die Energien auf sich zu lenken.
Meistens ist das nicht der Fall.

Reisen macht bewusst. Reisen macht ruhig. Reisen macht bedacht. 

Und Reisen führt dazu, dass man separiert.
Man wählt behutsam aus, mit was man sich umgibt. Mit welchen Menschen, mit welchen Themen, mit welcher Umgebung und mit welchen Worten.
Man lässt die zurück, die einem nicht gut tun, die einen permanent herausfordern, die einen in der Entwicklung behindern. Man lässt zurück, was stört, was laut ist und was verletzt.

Man lernt sich kennen und verstehen und man wird sensibel und sensitiv. 

Man wird zu einem Ganzen. In sich und durch sich.


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